Heute Science Fiction, morgen Realität? An den Grenzen des Wissens und darüber hinaus von Gerd Ganteför

Rezension von Emanuel Graf

«Gibt es eigentlich noch etwas zu entdecken oder wissen wir schon alles? », so beginnt Gerd Ganteför seine Darstellung. Die Frage ist für ihn Ausdruck einer verbreiteten skeptischen Haltung gegenüber der naturwissenschaftlichen Forschung, welche den Optimismus der vergangenen Jahrzehnte abgelöst hat. Gegen diesen Pessimismus will Ganteför ins Feld ziehen. Dabei werden die Grenzen des bekannten Wissens aufgezeigt und neue und unbekannte Regionen in denen sich neue Erkenntnisse verbergen könnten, skizziert.

Die Reise durch die verschiedensten Gebiete der Naturwissenschaften beginnt im All (Kapitel 1-4). In einer auch für interessierte Laien gut verständlichen Sprache fasst Gerd Ganteför das aktuelle Wissen über unser Universum auf wenigen Seiten zusammen –um dann in den Bereich, der heute noch Science Fiction ist, aufzubrechen. Sind Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit möglich? Werden wir in der Zukunft in Star Treck-Manier auf die Oberfläche von Planeten herunter beamen? Von beiden Ideen müssen wir uns leider verabschieden. Die erste würde das Prinzip der Kausalität verletzen, die Zweite verletzt zwar kein so grundsätzliches Prinzip, aber die Energie die notwendig wäre, um die Masse eines Menschen zu erzeugen, ist so gross, dass ein entsprechender Strahl wohl ein Loch in die Kruste des Planeten brennen würde. Es gibt jedoch auch Zukunftsideen die wahrscheinlicher sind, z.B. Fusionskraftwerke oder Ideen die im Moment noch nicht über reine Spekulation hinausgehen, wie eine mögliche Nutzung von dunkler Energie oder die direkte Umwandlung von Materie in Energie.

Die folgenden Kapitel  5 und 6 befassen sich mit Biologie und Medizin. Können wir dank der Gentechnologie einen Dinosaurier heute zum Leben erwecken? Können wir eines Tages alle Krankheiten besiegen? Können wir einen Supermenschen erschaffen? Die Kapitel folgen alle einem dem Leser nun schon bekannten Schema: Zuerst werden die bisherigen Fortschritte und Erkenntnisse der Forschung dargestellt. Im Anschluss werden mögliche neue Durchbrüche und die daraus folgenden Möglichkeiten dargestellt.  Die beschriebenen Technologien erlauben nicht nur die erwähnte eher harmlose Veränderung zur Vermeidung von Übergewicht durch genetische Modifikation des Stoffwechsels. Welche Auswirkungen genetisch «optimierte» Menschen auf die Gesellschaft haben, sowie ethischen Fragen, die sich hier aufdrängen, bleiben aussen vor. Sätze wie «Das, was die Evolution versäumt hat, kann die Wissenschaft heute vielleicht nachholen» (S. 111) bleiben also unkommentiert und zeigen das all zu kritiklose Vertrauen in die menschlichen Fähigkeiten.

Dies gilt auch für die abschliessenden Kapitel  7 bis 10, die sich mit der Neurologie, künstlicher Intelligenz und verschiedenen physikalischen Themen (Elementarteilchen, Naturgesetze, Universum) befassen. Diese Kapitel sind für den Leser gleichzeitig die anspruchsvollsten.

 

Fazit

Gerd Ganteför bietet einen gut verständlichen Überblick über den Stand der Forschung und die möglichen zukünftigen Erkenntnisse. Die eingangs gestellt Frage wird mit einem klaren JA beantwortet. Es gibt noch viel zu entdecken. Dabei ist wiederholt eine Grundhaltung zu erkennen, welche die Naturwissenschaft und die Technik alleine auf der Seite der Problemlöser sieht. Risiken und Gefahren, welche mit diesen neuen Möglichkeiten verbunden sind, werden nicht behandelt. Ebenfalls fehlt die gesellschaftliche und ethische Reflektion, welche speziell in den Kapiteln über die Biologie und die Medizin wichtig wären. Die Fragen: „Wollen wir das?“ oder “welchen Fortschritt wollen wir?“, werden nicht gestellt. Sie liegen auch nicht im Blickfeld des Autors, der die Naturwissenschaften allein als spannendes und für die Zukunft des Menschen wichtiges Tätigkeitsfeld präsentiert. Trotzdem ist das Buch jedem zu empfehlen, der einen gut zu lesenden und spannenden Überblick sucht. Mit klarem Strich zeichnet es eine Zukunftsvision, die Hoffnung und zumindest Interesse an der Technik weckt, manchmal jedoch all zu sehr an die aus Star Trek bekannte, durch Technologie erlöste Menschheitsvorstellung erinnert.

Emanuel Graf

Hardcover, ISBN 978-3527338818, 224 Seiten mit einem Index, Wiley 2016, 24,90 €