Wissenschaft und religiöse Vielfalt

Editorial 2025 von Andreas Losch

Während die Naturwissenschaften erfolgreich den Anspruch auf Einheitlichkeit erheben, kennen wir zahllose unterschiedliche Religionen und Denominationen auf diesem Planeten. Manche glauben an einen Gott, manche an viele. Ist das ein Beleg für den Vorzug wissenschaftlicher Annahmen gegenüber religiösem Glauben? Oder kann religiöse Vielfalt auch eine Bereicherung des menschlichen Daseins darstellen? Wie verhalten sich Einheit der Wissenschaft und religiöse Vielfalt?

Im englischen Sprachraum ist der Unterschied zwischen Wissenschaft und Religion noch offensichtlicher, denn hier wird ein spezifisches Wort nur für Naturwissenschaft benutzt: «science». Was Wissenschaft ist, ist dann eindeutig, während der Religionen natürlich viele sind. Was «die Wissenschaft» sagt, gilt. Es gibt zwar durchaus Versuche, im Namen der anerkannten Wissenschaft unwissenschaftliche Annahmen zu behaupten, doch an dem guten Stand der Wissenschaft als solcher in der Gesellschaft rührt das nichts. 

Auf religiöser Seite gibt es seitens der akademischen Theologie ein positives Verhältnis zu dem wissenschaftlichen Umfeld, welches sie historisch ja nun auch mitbegründet hat. Allerdings ist im deutschsprachigen Raum eher ein Austausch mit geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen üblich, nur sehr selten mit den Naturwissenschaften. Früh hat man sich u.a. im Gefolge des Theologen Karl Barth auf ein schiedlich-friedliches Nebeneinander geeinigt.
Der Kreationismus, wie er insbesondere im freikirchlichen oder ländlichen Umfeld zu Hause ist, stellt diese Grenzziehung mit seiner «alternativen» Form von Wissenschaft in Frage, dringt aber i.d.R. nicht bis an die Universitäten vor. Auch er versteht sich selbst als «wissenschaftlich», ist von der Wissenschaft jedoch keinesfalls als eben solche akzeptiert.

In dem diesjährigen Schwerpunkt unserer Themenseite soll es um den unterschiedlichen Umgang verschiedener religiöser Traditionen mit Wissenschaft gehen. Jemand, der sich stark mit dem Verhältnis von Wissenschaft und Religion beschäftigt hat, ist Ian Barbour, dessen Erbe Hakan Turan in einem Beitrag auf islamische Theologie bezieht. Einen Blick auf die vielfältige religiöse und wissenschaftliche Landschaft in Indien wirft Matthew Chandrankunnel, insbesondere darauf, wie dies das Verhältnis von Wissenschaft und Religion dort beeinflusst. Weiter kommt mit Howard Smith eine jüdische Stimme zur Formulierung des Schöpfungsgedankens im Einklang mit der Wissenschaft zu Wort. Markus Iff befasst sich mit dem freikirchlichen Umgang von Wissenschaft u.v.m.
Alle diese Beiträge erörtern das vielfältige Verhältnis von Wissenschaft und Religion an verschiedenen Orten, aus verschiedener Sicht. Wir laden dazu ein, sie im Laufe des Jahres auf dieser Seite zu lesen und darüber mitzudiskutieren.

Andreas Losch
Publiziert im Februar 2025

Bildnachweis

The center third of "Education" (1890), a stained glass window by Louis Comfort Tiffany and Tiffany Studios, located in Linsly-Chittenden Hall at Yale University. © Sage Ross (Public Domain)