In dieser Arbeit möchte ich versuchen der Frage nachzugehen, warum die Juden JESUS nicht als ihren verheißenen Messias anerkannt haben, und folglich heute noch auf dessen Erscheinen warten. JESUS selbst hat sich zunächst offenbar als der für die Rettung Israels Berufene gehalten, wie aus der sog. Jüngerrede in Mt. 10; 5 ff hervorgeht: „5 Diese Zwölf sandte Jesus aus und gebot ihnen: Geht nicht den Weg zu den Heiden und betretet keine Stadt der Samariter, 6 sondern geht zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel! 7 Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe! 8 Heilt Kranke,…“ Erst viel später hat sich JESUS auch den Anderen zugewandt, wie aus der Begegnung mit der Samariterin am Jakobsbrunnen [Joh. 4; 6 ff] hervorgeht.
Für PAULUS war die Öffnung des Auferstandenen JESUS CHRISTUS für die Völker der Welt von essentieller Bedeutung, denn darauf baute er sein Wirken & seine Theologie auf. In Röm. 1; 1-5 schreibt er: „1 Paulus, Knecht Christi Jesu, berufen zum Apostel, ausgesondert, das Evangelium Gottes zu verkünden, 2 das er durch seine Propheten im Voraus verheißen hat in heiligen Schriften: 3 das Evangelium von seinem Sohn, der dem Fleisch nach geboren ist als Nachkomme Davids, 4 der dem Geist der Heiligkeit nach eingesetzt ist als Sohn Gottes in Macht seit der Auferstehung von den Toten, das Evangelium von Jesus Christus, unserem Herrn. 5 Durch ihn haben wir Gnade und Apostelamt empfangen, um in seinem Namen alle Heiden zum Gehorsam des Glaubens zu führen“ . PAULUS war Jude, und den Juden schrieb er, dass sie als auserwähltes Volk immer in Gottes Allerbarmen fallen, selbst wenn sie nicht Christen werden wollten [Röm. 11; 25-32]
Die ersten Christen lebten in der sog. Naherwartung der Wiederkehr Christi, denn JESUS sagte: „Amen, ich sage Euch: Von denen, die hier stehen, werden einige den Tod nicht erleiden, bis sie den Menschensohn in seiner königlichen Macht kommen sehen“ [Mt. 16; 28]. Vermögen anzuhäufen war in Folge dessen sinnlos, man lebte in der sog. Gütergemeinschaft der Urgemeinde „32Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam.33 Mit großer Kraft legten die Apostel Zeugnis ab von der Auferstehung Jesu, des Herrn, und reiche Gnade ruhte auf ihnen allen. 34Es gab auch keinen unter ihnen, der Not litt, denn alle, die Grundstücke oder Häuser besaßen, verkauften ihren Besitz, brachten den Erlös 35und legten ihn den Aposteln zu Füßen. Jedem wurde davon soviel zugeteilt, wie er nötig hatte.“ [Apg. 4; 32-35] Man sammelte für die Gottesdienste Worte des HERRN, woraus die sog. "Loggien- Quelle Q" wurde, während an Jesu Lebensdaten wenig Interesse bestand.
Als aber immer mehr Menschen, die JESUS noch kannten, starben, schwand allmählich die Naherwartung. Hatte man den Meister etwa falsch verstanden? Man begann wieder „normal“ zu leben, und der Wunsch nach Daten und Taten des HERRN wuchs. Das war die Geburtsstunde der Evangelien. MARKUS, der wahrscheinlich noch Kontakt zu PETRUS hatte, begann mit seinen Aufzeichnungen. MATTHÄUS & LUKAS besaßen Sondergut und hatten das Markusevangelium vorliegen (deshalb nennt man MT. MK & LK synoptische Evangelien), Johannes entstand getrennt als letztes (?). Die Evangelien von MT & LK haben vorgeschaltete Weihnachtsgeschichten mit dem Geburtswunder der Jungfrauen-Geburt Marias. Es ist strittig, ob die Weihnachtsgeschichten schon zu den ursprünglichen Evangelien-Texten gehörten. Sie widersprechen sich auch in wesentlichen Punkten: Bei MT liest man den unhistorischen von HERODES veranlassten Kindermord in Bethlehem mit mehrjähriger Flucht der Hl. Familie nach Ägypten; bei LK, der HERODES nicht erwähnt, fährt die Familie unbehelligt nach wenigen Tagen zurück nach Nazareth.
PETRUS hat ganz offenbar von einem Geburtswunder nichts gewusst, denn in seiner berühmten Rede [Apg. 10; 34-43] beginnt erst alles mit der Taufe JESU durch JOHANNES dem Täufer; und PAULUS hat bei seinem 15-Tägigen Besuch bei PETRUS & dem Herrenbruder JAKOBUS [Gal.1; 18 & 19] sicher auch nichts davon erfahren, denn sonst hätte er es in seinen Schriften, z.B. bei Gal. 4; 4, “sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau“, erwähnt.
Die Evangelisten haben offensichtlich ihren Informationsmangel über JESU Leben mit heidnischem Gedankengut gefüllt, sonst wären die vielen Parallelen zwischen heidnischen „Gottessöhnen“ und Jesu-Geschichten nicht zu verstehen. Die heutige Forschung bringt auf diesem Gebiet immer mehr Details zum Vorschein. Deshalb sind Bücher über den historischen JESUS bereits nach wenigen Jahren veraltet.
Ein jüdischer Messias muss in der Davidstadt Bethlehem geboren sein und in väterlicher Linie aus dem Stamme DAVIDS (über SALOMO) kommen. Daher scheidet eine Jungfrauengeburt für eine Anerkennung aus. Der Hinweis aus MT 1; 23. auf Jes.7; 14 zur Begründung des Geburtswunders, ist ein Übersetzungsfehler, der sich in die griechische Septuaginta eingeschlichen hat, und dem der Evangelist zum Opfer gefallen ist. Das ist heute unter Fachleuten unstrittig. Es ist daher notwendig (aber leider immer noch nicht hinreichend, s.u.), dass zu einer Anerkennung JESU als jüdischer Messias, die Jungfrauengeburt eliminiert, und der aus dem Stamme DAVIDS kommende JOSEF als natürlicher Vater JESU anerkannt wird.
Es gibt seit einigen Jahrzehnten (19.Jhd.), eine kleine Gruppe der „Messianischen Juden“, die JESUS CHRISTUS als ihren lang erwarteten Messias anerkennen, aber ansonsten Juden mit den mosaischen Gesetzen bleiben. Sie sagen klar und deutlich: „Keine Jungfrauengeburt, JOSEF ist JESU leiblicher Vater, und sie erwarten keine Wiederkunft CHRISTI, denn ein jüdischer Messias kommt nur einmal! Juden kennen keine Mission, aber für die Messianischen Juden gilt das nicht. Diese missionieren bei den Juden eifrigst, und sind bei ihren Landsleuten nicht sonderlich beliebt.
Spricht man mit Rabbinern, dann erfährt man weitere Gründe, warum JESUS nicht als ihr Messias gelten kann. Im Stammbaum JESU nach MT. 1; 1-17 befinden sich zwar DAVID & SALOMO, aber weiter geht es über die judäischen Königslisten der Jerusalemer Linie, die kurz vor und während dem Babylonischem Exil von Gott verfluchte Namen enthält (z. B. JOJACHIN [KONJA] wegen Götzendienst). Das sei für einen anerkannten Messias nicht akzeptabel. Der Stammbaum nach LK. 3; 23-38 der zwar auch über DAVID geht, führt aber dann über SALOMOS Bruder NATAN auf eine bedeutungslose Nebenlinie nach Bethlehem. Die Auslassung von SALOMO sei auch nicht akzeptabel, wird behauptet. Ich gewinne den Eindruck, es werden Gründe geradezu gesucht, um JESUS auszubooten. Die Messianischen Juden haben sich über diese „kleinen Kröten“ hinweggesetzt und auch das JESU-Wort: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ [Joh. 18; 36] angenommen. Mir ist absolut nicht klar, wie ein Jüdischer Messias heute noch alle Bedingungen der Anerkennung erfüllen kann. Ich bin aber bereit dazuzulernen.
Die Einarbeitung heidnischen Gedankengutes durch die Evangelisten und Briefeschreiber (z.B. für Jesu Höllenfahrt) hatte aber den gewaltigen Vorteil, dass sich das Christentum bei den Heiden sehr schnell ausgebreitet hat, und bereits nach 300 Jahren zur römischen Staatsreligion wurde. Für eine derart epochale Wandlung in einem Weltreich ist das ein extrem kurzer Zeitraum. Hat hier der HL. GEIST nachgeholfen? Diese Frage lasse ich offen.
Dr. Georg Linke, Aachen im März 2018
Literatur
HERIBERT FISCHEDICK: „Glaubst Du noch, oder erfährst Du schon?“ (2014) ISBN 978-1-627842-81-5
H. M. KUITERT: „Kein zweiter Gott“ (2004) ISBN 3-491-77052-1
GEORG LINKE: „DANKE EVA Sündenfall Schuld Kritik und Versöhnung“ (2018) ISBN 978-620-2-44133-9
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